„Proxima“ ist eine Raum-Zeit-Schleife, eine Suche nach der Unendlichkeit, eine Vision, ein Echo zu Charles Baudelaires Gedicht „Der Abgrund“. Wir sind gefangen zwischen den unbekannten Größen Geburt und Tod, in der Unermesslichkeit des Lebens, zwischen unseren unverhältnismäßigen Impulsen von Eros und Thanatos. Jede Sekunde birgt Illusionen. Wir glauben, den Funken greifen zu können, der alles erklären, alles lösen würde. Aber er bewegt sich konstant weiter, und wenn er schließlich doch anhalten sollte, würde er nichts von seiner Absicht oder dem, was auf der anderen Seite sein könnt, preisgeben. Dieses fliehende Licht steht für unser Gefühl totaler Frustration, da wir glaubten, das Mysterium des Lebens fast zu begreifen. Zumindest tragen wir diese Illusion in uns.
Doch ist die Welt real oder trügerisch? Was ist es, das wir sehen? „Proxima“ lässt uns durch die VR-Technik in die virtuelle Welt eintauchen. Durch unsere Handlungen steuern wir die Bilder, die ja auch nur eine animierte Konstruktion aus vielen kleinen Dreiecken sind und uns doch die Illusion einer Realität vermitteln. Ob mit VR-Brille oder durch unsere eigenen Augen – reicht unsere Sicht hinaus über den Teil der irdischen Welt, in dem wir uns bewegen?

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Director: Mathieu Pradat

Frankreich, 2017

Im tiefsten Winter bahnt sich am Rand einer Kleinstadt ein beklemmendes Ereignis an. Eine Menschenmenge hat sich eingefunden. Wir alle warten darauf, dass etwas passiert. Aber es passiert nichts…
Warten. Was machen wir hier?
Krähen scharen sich um uns. Rufen einander.
Aber nichts passiert. Zeit vergeht.
Wir warten alle.
Und dann… passiert es.
Ein Schuss.
Hektisches Flügelschlagen und aufgeschrecktes Krächzen.
Die Musiker spielen auf.
Die Menschenmenge löst sich langsam auf. Jeder kehrt in sein eigenes Leben zurück. Die Winterlandschaft ist wieder leer und totenstill.
Es scheint, als wurden wir zusammengerufen, um einem brutalen Akt beizuwohnen: dem Schauspiel des Sehens und gesehen Werdens.

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Directors: Michelle & Uri Kranot

Dänemark/Frankreich, 2017

Die erste Virtual-Reality-Produktion des Künstlers Jonathan Meese und seiner Mutter Brigitte Meese ist eine Reise ins Herz der Diktatur der Kunst. Im virtuellen Atelier des Künstlers erleben die Betrachter die Entstehung eines 360°-Gesamtkunstwerks der Zukunft: Der schlafende Künstler hat wunderbare, inspirierende Träume. Da betritt seine Mutter den Raum, bringt Kaffee und treibt ihn zum Malen an. Eine weitere Mutter Meese kommt hinzu, dann noch eine, dann noch eine… und der Künstler im Schaffensrausch malt, denn „Kunst ist einfach mal loslegen, und schon ist es geiler als Picasso“ (Jonathan Meese). Während Clouzots berühmter Film „Le mystère Picasso“ (1956) den kreativen Akt noch auf einer zweidimensionalen Fläche zeigt, sind die Betrachter hier mitten im Geschehen und treten in dessen Mysterium ein. Der weiße Atelier-Raum wird zur mehrdimensionalen Leinwand. Mehrere Mütter kommentieren, bewerten und provozieren eine Arbeit, die eine Reflexion über Alfred Hitchcock, Anthony Perkins, Richard Wagner und Joseph Beuys ist. Sie mündet in eine zwingende Erkenntnis: Jeder Mensch ist ein Künstler, zumindest unter dieser VR-Brille.

In einer mehrjährigen Kooperation erforschen ARTE und die Berliner Festspiele/Immersion gemeinsam mit Künstlern die Möglichkeiten und Grenzen der Medien Virtual Reality Experience und 360°-Film.

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Director: Jonathan Meese

Deutschland, 2018

„Google Tilt Brush“-Artist Tamiko Thiel hat eine wundersame Welt geschaffen, in der die sie bevölkernden Kreaturen nicht mehr durch Sprache oder Gesten, sondern durch „Cloud Mirrors“ kommunizieren. Sind wir heutzutage überhaupt noch in der Lage, einander wahrhaftig zu begegnen – ob in der virtuellen oder der realen Welt?

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Director: Tamiko Thiel

USA/Deutschland, 2017

Der musikalische Stil der französischen Künstlerin “Kinnie Lane” lehnt sich stark an die Popmusik der 80er an. Wiederholende Synthesizer-Patterns, gerade Schlagzeugrhythmen und viel Hall auf dem Gesang zeichnen diesen Stil aus. Mein Konzert für die Künstlerin soll sich deshalb an der Optik dieser Ära bedienen. Animationen mit analogen Grafik-Computern (Scanimate) und frühen, sehr rudimentären, digitalen Computern sind meine Inspiration für die Visuals des Konzerts. Diese Art der Darstellung ist gerade aktuell wieder im Trend, aber
in VR noch wenig verbreitet. Ich versuche mit meiner Arbeit, diesen visuellen Stil anfassbar und immersiv erlebbar zu machen.

In den frühen Computerspielen der 80er war die Fortbewegung von zentraler Bedeutung. Die Vorstellung, während eines Konzerts mit dem Künstler auf eine Reise zu gehen, fand ich von vornherein faszinierend. Leider sind Fortbewegungen, die nicht vom User selbst initiiert werden, in VR sehr kompliziert umzusetzen, da dies den Gleichgewichtssinn stört und zu Übelkeit führen kann. Wichtig sind deutliche Referenzpunkte, die sich ständig mit der Nutzer mitbewegen, um Orientierungslosigkeit vorzubeugen. In meinem Konzert ist dieser Referenzpunkt der Truck, auf dem man durch verschiedene Landschaften fährt. Die Künstlerin befindet sich auf dem Führerhaus und spielt für das Publikum auf der Ladefläche des Trucks.

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Director: Jörg Kahlhöfer

Hamburg, 2018

Zusammen bilden sie eine Serie „Geschichten aus Jerusalem“ („Jerusalem Stories“), ihre Episodentitel lauten „Glaube“ („Faith“), „Liebe“ („Love“), „Hoffnung“ („Hope“), „Angst“ („Angst“). Einmal („Glaube“) geht es um einen israelischen Stand-up-Comedian, der auf dem Zionsplatz mit aggressiven Zuschauern in einen bedrohlichen Zwist gerät. Ein anderes Mal („Liebe“) um eine junge Palästinenserin in einem Linienbus auf dem Weg vom Westjordanland über die Grenze nach Israel. Ein gleichaltriger Soldat holt sie am Checkpoint zum Verhör aus dem Fahrzeug zu einer bedeutungsvollen Unterredung im Schatten einer fünf Meter hohen Mauer. In einer weiteren Episode („Hoffnung“) verfolgt ein militärischer Scharfschütze, der sich über den Dächern der Altstadt positioniert hat, in den Gassen des Basars ein besonderes Ziel. Bis ihm ein göttliches Zeichen erscheint? Und in einer vierten Episode („Angst“) spukt ein unruhiger Geist durch die Ruinen jenes Gebäudes, das einmal das palästinensische Parlament werden sollte. Ist das etwa Jassir Arafat?
Durch den Einsatz der speziellen 360°/VR-Technik in 3D ist der Zuschauer direkt vor Ort, wird einbezogen, auch angesprochen, angespielt. Die außergewöhnliche Stadt Jerusalem kann so durch starke Erlebnisse einmal anders kennengelernt werden, unmittelbarer, immersiver.

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Director: Dani Levy

Deutschland, 2018

Das gaengeVRtl erlaubt es dem Nutzer, eine virtuelle Variante des Hamburger Gängeviertels zu entdecken. Mithilfe von Photogrammetrie haben wir Teile des Viertels digitalisiert und
auf Basis dessen eine impressionistische Darstellung dieses faszinierenden Stadtteils geschaffen.

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Director: Sven Freiberg

Hamburg, 2018

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Joh 1,1)
„Book Of A Hundred Ghosts“ ist eine chinesische Parabel in der Form eines virtuellen Tableaus. Sie erzählt die Geschichte eines untergegangenen Landes als Buch, aus dem Worte und Zeichen auf die Erde fallen, die Ehrfurcht, Angst, Schmerz und Lust schüren.
Die fallenden Worte, von denen jedes einzigartig ist, bestehen aus Zeichen, die jeweils nur einmal vorkommen in den „Gesprächen des Konfuzius“ und der Verfassung der Volksrepublik China, den beiden „Urtexten“, die den vermeintlichen moralischen und politischen Kompass Chinas bilden.

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Director: Ip Yuk-Yiu

China 2018

Vaysha ist anders als die anderen Mädchen: mit ihrem linken Auge sieht sie die Vergangenheit und mit ihrem rechten die Zukunft. Wie mit einem furchtbaren Fluch belegt kann sie so nicht an der Gegenwart teilhaben. Geblendet von dem, was war, und gequält davon, was sein wird, verharrt sie gefangen zwischen zwei unvereinbaren Zeiträumen.
Diese Parabel über zeitlose Weisheit und Schönheit basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Georgi Gospodinov. Filmemacher Theodore Ushev will uns mit ihr daran erinnern, wie wichtig es ist, den gegenwärtigen Moment nicht aus den Augen zu verlieren.

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Director: Theodore Ushev

Kanada, 2017

In einer beispiellosen Geschwindigkeit, schneller als das Aussterben bedrohter Arten, schreitet der Verlust unserer sprachlichen Vielfalt voran – und damit das Medium, mittels dem wir denken und sprechen. Dieses immersive Oratorium ist eine Beschwörung der gefährdeten und ausgestorbenen Sprachen. In Zusammenarbeit mit VR-Pionier Nonny de la Peña und der Emblematic Group hat Lena Herzog dieses dreiteilige Werk geschaffen, das sich auch mit der Frage beschäftigt, wie man eine Auslöschung darstellen kann, deren Resultat Stille ist.

Unterstützt wurde das Projekt vom Endangered Languages Documentation Programme an der SOAS University of London, The Smithsonian, The Rosetta Project und von einer Vielzahl weiterer Archive sowie von der Simons Foundation. Das Ergebnis ist eine raumfüllende Klangkomposition mit Material aus den größten linguistischen Archiven der Welt.

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Director: Lena Herzog
Producer: Nonny de la Peña
Technical Director: Jonathan Yomayuza
Executive Producers: Meghan McWilliams, Cedric Gamelin

USA, 2018/2019