Heute stellen wir euch unsere Künstler*innen von ULTRAMARIN in Venedig vor – Vorhang auf: please meet den brasilianischen Künstler Gabriel Massan. Er zeigt gleich drei Arbeiten mit außergewöhnlichen digitalen Landschaften, die durch ihre kristalline Flüchtigkeit und ihre oszillierend amorphen Strukturen bestechen. Seine künstlerische Praxis beschäftigt sich mit dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen fiktiven Existenzen und digitalen Umgebungen und der Untersuchung von Darstellungsmöglichkeiten von Farbigkeit, persönlicher Identität und Zeit. Wir trafen ihn vorab zum Interview – aber lest selbst:

VRHAM!: At ULTRAMARIN – An immersive Exhibition you are represented with the animated video work THE DANCE FROM BELOW /BANHEIRA DE GESSO / NO ADVENTURE LAND (WMG). What relation does your work have to the theme of the Exhibition: „water“?

GABRIEL MASSAN: My research explores the performance of the organic through digital sculptures. The liquidity of movement in animation and the experimentation in habitat construction are influenced by the possible presence of water in these fictitious bodies and atmospheres. I also work with the development of fluids and watery surfaces that simulate rivers, lakes and seas, that devastate and/or bathe the lives I dedicate myself to imagine.

There is hardly a city like Venice that fits better to the theme of ULTRAMARIN: What is special for you about the lagoon city and what are you looking forward to the most?

I like the power that water exerts over the city, which defines precisely the way we enter and navigate this territory. The force of this existence that advances and advances over us and over our choices. Returning to Venice in the same year, but now rethinking its power and peculiarity is very significant for the work I have been developing as an artist.

What current developments in the field of digital art are you observing at the moment: which techniques do you already use, which innovations would you like to use (more) of, and how do technical developments influence your work?

My work takes shape digitally. My drafts are virtual. I start by using techniques in digital sculpture, digital painting and 3D animation. These compositions are firstly presented through video art and still images, like photographs. Then I explore augmented reality filters, proximity sensors, sound reaction and virtual reality. In the last two years I’ve been focusing on games and interactivity. The next step would be to integrate these environments with live simulations and mixed reality performances. The way I present my work defines the interpretations and impacts I will have on the public. Understanding what brings me closer and what pushes me away is crucial to develop a critique of the bridge between the different dimensions I explore.

VRHAM! und INVR.SPACE verbindet eine langjährige, gelungene und immer angenehme Partnerschaft, die ihresgleichen sucht. Nach der Deutschlandpremiere von ULTRAMARIN in Hamburg begleitet uns das Virtual Reality Full Service Studio mit Sitz in Berlin nun auch nach Venedig. Wir freuen uns sehr! Aus diesem Grund haben wir uns nochmal Sönke Kirchhof, CEO von INVR.SPACE, geschnappt und gefragt, worauf er sich besonders bei der italienischen Edition von ULTRAMARIN freut – Andiamo!

VRHAM!: Lieber Sönke, was bedeutet es für Dich, nach Hamburg nun auch in Venedig mit dabei zu sein – was ist für Dich das Besondere an dieser Stadt, worauf freust Du Dich am meisten?

SÖNKE KIRCHHOF: Am meisten freue ich mich natürlich auf die XR Kunstwerke, auch wenn ich die meisten bereits in Hamburg gesehen habe. Gerade bei dieser Installation und euerer Kuration ist der Ort an dem diese präsentiert werden ein großer Teil der „Gesamtexperience“, welche neben den individuellen Werken ja auch extrem wichtig ist. Daher bin ich sehr gespannt, wie diese Werke in einer anderen Stadt und einer Galerie wirken. Venedig, eine Stadt im bzw. auf dem Wasser ist sicherlich ein wunderbarer Ort für ULTRAMARIN! 

Natürlich freue ich mich auch darauf viele von den Künstlern zu treffen und das Team vom VRHAM, dieses mal aber nicht on location im wunderschönen Hamburger Hafen oder Online, sondern mal ganz wo anders. Last but not least habt ihr es ja geschafft zeitgleich zur Venice Biennale die Pforten zu öffnen, so kann ich neben ULTRAMARIN auch direkt zu den XR Kunstwerken auf der Isola del Lazzaretto Vecchio gehen und dort viele bekannte Gesichter wiedersehen – und deren Arbeiten in XR.

Ihr begleitet VRHAM! schon lange als zuverlässiger Partner: Was bewegt euch dazu, uns zu unterstützen und was ist für Dich das besondere an VRHAM?

VRHAM war eines der ersten Festivals in Deutschland, das XR Projekte gezeigt hat. Es war und ist uns bis heute wichtig, dass XR Werke auch einem breiten Publikum gezeigt werden und „aus der Nische herauskommen“ – denn neben unseren Aktivitäten im Festivalbereich produzieren wir ja auch selber Content. Dazu kommt sicherlich, dass wir sehr schnell realisiert haben, dass Ulrich Schrauth und das VRHAM Team nicht einfach ein paar Drehstühle in einen kahlen Raum stellen wollen, sondern gleich mehrere installative Erfahrungen an einem Ort gestalten werden. Die Oberhafenkantine als Location ist besonders – und wurde durch VRHAM auf eine ganz besondere Weise mit Immersiven Projekten gefüllt – zu einer Gesamterfahrung die einfach exzellent durchdacht und kuratiert ist. Jedes Jahr aufs neue und jedes Jahr anders. Sogar während der Pandemie, welches sicherlich für Festivals wie VRHAM nicht die einfachste Zeit war. In solchen Zeiten ist es besonders wichtig auf Partner zählen zu können und gemeinsam neue, gute und innovative Sachen zu machen – das ist mit Ulrich und dem VRHAM Team immer garantiert. 

Welche Message möchtet ihr selbst in die Welt hinaustragen? 

Die XR-Szene ist bekannt dafür viele Dinge anders zu machen als aus etablierten Industrien der Medienlandschaft aber auch anderen Industrien bekannt. Es eilt der Ruf voraus, dass besonders stark kooperiert und Wissen zu technischen Fragen gerne geteilt wird, fei nach dem Motto: „sharing is caring“. Das sollte sich die Scene bewahren und zusammen arbeiten, an einem Strick ziehen und gemeinsam Projekte schaffen, welche aus der Scene kommen und eine eigene Industrie mit Werten schafft. Wir sollten nicht die selben Fehler machen wie in anderen Bereichen und den großen Brands zu viel Aufmerksamkeit schenken oder deren Wünschen (und Zensuren) entsprechen. Ich sehe hier durchaus eine Tendenz, große Plattformen die Daten sammeln und deren Server irgendwo stehen und ständiger Buzz getrieben von Technikherstellern die nicht selten auch soziale Netzwerke betreiben. 

Es gibt insbesondere in Venedig viele Projekte zu sehen, welche nicht in bekannte Formate oder Genres einzuordnen sind. XR Experiences können Film und Game sein – manchmal gleichzeitig. Es können wichtige sozialpolitische und multikulturelle Themen mit der gebührenden Ernsthaftigkeit – und dennoch Spielerisch über eines der immersivsten Medien die wir bisher kennen transportiert werden. Wir brauchen also technische und inhaltliche Entwicklungen, die aus der Scene kommen und vielleicht auch ein wenig Zeit benötigen, statt auf das schnelle Geld, die Killer App, das Investment von großen Unternehmen oder die Erlösung von unseren Problemchen durch „das Metaverse“ zu hoffen. Ich glaube nicht, dass das Kino oder Fernsehen alleine von marktwirtschaftlichen Gedanken oder kapitalistischen Erfolgsparamtern getrieben zum Erfolg wurde. 

Wir sollten uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, heute mehr denn je.

Fiona Fritz ist Historikerin und Programmleiterin für eCommemoration in der Abteilung Geschichte und Politik der Körber-Stiftung. Seit 2018 konzipiert und koordiniert sie in der Körber-Stiftung internationale, geschichtspolitische Projekte sowie digitale Formate für junge Europäer. Wir haben mit ihr über Herausforderungen der Digitalisierung und den XR History Award gesprochen. 

VRHAM!: Liebe Fiona, die Körber-Stiftung setzt sich für internationale Verständigung und eine lebendige Bürgergesellschaft ein. Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Stichwort „Digitalisierung“?

FIONA FRITZ: Als Körber-Stiftung ist unser Mission Statement „Gesellschaft besser machen“. Das gilt auch für die Digitalisierung, die bereits fast alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt und verändert. Viele Programme der Körber-Stiftung befassen sich deshalb dezidiert mit den Auswirkungen von Digitalisierung auf die Zivilgesellschaft, z.B. mit Hate Speech im Netz gegen Kommunalpolitiker, aber auch der Stärkung digitaler Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen.
In unserem Bereich Geschichte und Politik befassen wir uns vor allem mit dem Aspekt der internationalen Verständigung, die durch globale Vernetzung einfacher wird. Im Digitalen spielen Ländergrenzen für direkten Austausch keine Rolle mehr, während in der Auseinandersetzung mit Geschichte nationale Echokammern weiterhin stabil sind. Gleichzeitig verbreiten sich Verschwörungsmythen und Geschichtsverzerrung schneller denn je. Genau da setzen wir mit unseren Programmen im Bereich Geschichte und Politik an.

Du bist Programmleiterin des Projekts eCommemmoration der Körber-Stiftung – Welches Ziel verfolgt Deine Arbeit?

In unserem Programm eCommemoration geht es um Geschichte und Erinnerung in digitalen Formaten, in Games, Social Media und Extended Reality. Neue Technologien und neue Generationen werfen neue Fragen an die Geschichte auf. Wie können wir digitale Möglichkeiten nutzen, um eine vielstimmige und relevante Erinnerungspraxis zu schaffen? Mit  eCommemoration vernetzen wir grenz- und disziplinübergreifend Akteur:innen, die sich mit Geschichte befassen. Mit unserer eCommemoration Convention bringen wir Historiker:innen, Museumsmacher:innen, Entwickler:innen und Kreative aus der ganzen Welt zusammen, um gemeinsam Geschichte und Erinnerung in Games, Social Media und Extended Reality zu erkunden, zu diskutieren und zu gestalten. 

Wir produzieren zudem  unseren History & Politics-Podcast, in dem wir mit Gästen aus unterschiedlichsten Richtungen darüber sprechen, warum Geschichte auch immer Gegenwart ist, und wie uns ein Blick zurück hilft,  diese besser zu verstehen. 

Welchen Herausforderungen begegnest Du bei deiner Arbeit, Geschichte und Erinnerung digital zu denken?

Gerade in den letzten Monaten haben wir mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine ganz massiv erfahren müssen, dass Geschichte ein extrem machtvolles Mittel ist, das zu oft manipuliert wird. Genau deshalb haben wir zusammen mit VRHAM! den XR History Award initiiert. Wir wollen   kreative Projekte fördern , die mit spannenden Technologien der Virtual, Augmented oder Mixed Reality unseren Blick auf Geschichte erweitern und damit neue Zugänge schaffen. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir mit dem XR History Award ein Projekt auszeichnen können, dass faktenbasierte Geschichten über die Vergangenheit in neuen Formaten erzählt.

Bei unserer Arbeit ist es uns besonders wichtig, Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen und Ländern zusammen zu bringen. Nur so können wir Vorurteile gegenüber der „trockenen Geschichte“ oder neuen Digitalformaten abbauen. Geschichte findet im Digitalen statt, ob es uns als Gesellschaft gefällt oder nicht. Deshalb ist es uns wichtig, Games und Extended Reality als Kulturgüter ernst zu nehmen, aber gleichzeitig kritisch zu hinterfragen. Und vor allem nicht nur über die Formate zu reden, sondern sie tatsächlich auszuprobieren: Zocken und Eintauchen, und wirklich erfahren, was die Potenziale, aber auch Grenzen im Digitalen sind.

Im Rahmen der Ausstellung “ULTRAmarin – An immersive Exhibition” vergibt VRHAM! in Kooperation mit der Körber-Stiftung den XR History Award – es wurden mehr als 80 Arbeiten eingereicht, die Du als Teil der Jury mit ausgewertet hast. Was war Dir bei der Auswahl der/des  Gewinner*in besonders wichtig?

Wir hatten eine ganz tolle internationale und interdisziplinär besetzte Jury, die Expertise aus dem VR-Bereich, Medien- aber auch Geschichtswissenschaft zusammengebracht hat. Mir als Historikerin war besonders wichtig, dass es sich nicht um eine rein fiktive Geschichte handelt, sondern dass sie auf echten und nachvollziehbaren Quellen oder Zeitzeugenberichten basiert und auch keine Geschichtsverfälschung betreibt.

Uns war es  ebenso wichtig, dass das Projekt einen kreativen Zugang findet und durch einen künstlerischen Blick neue Perspektiven zeigt. Von den Einsendungen war ich wirklich begeistert, denn  sie zeigen, wie lebendig Geschichte und Erinnerung im Bereich Extended Reality ist. Das Projekt, das wir nun mit dem XR History Award auszeichnen, ist aus meiner Sicht besonders im Hinblick auf die konkreten Geschichten, die erzählt werden. Gleichzeitig dient es  als Modell, wie Auseinandersetzung oder gar Versöhnung mit umkämpfter Geschichte aussehen kann.

Im VR-Film Child of Empire erzählen zwei Zeitzeugen aus Indien und Pakistan von ihren Fluchtgeschichten nach der gewaltvollen Teilung 1947. Die Erzählungen der beiden Protagonisten werden nicht von dem Hass beherrscht, der die Beziehung zwischen Indien und Pakistan noch bis heute allzu oft bestimmt. So überwindet Child of Empire die Tendenz, eine Hierarchie der Opfer zu schaffen, indem das Projekt die beiden erzählten Geschichten gleichberechtigt nebeneinanderstellt.

INVR.SPACE ist ein Virtual Reality Full Service Studio mit Sitz in Berlin. Die Zusammenarbeit zwischen VRHAM! und INVR.SPACE bringt jedes Jahr kreative und innovative Ideen hervor. Um das VR-Erlebnis bestmöglich zu gestalten, werden immer wieder Grenzen verschoben und neue Techniken ausprobiert. Wir haben mit Sönke Kirchhof, CEO von INVR.SPACE, gesprochen, was die neuesten Entwicklungen sind, was die Zusammenarbeit so spannend macht und worauf er sich bei „ULTRAMARIN – An Immersive Exhibition“ am meisten freut.

VRHAM!: INVR.SPACE klingt spannend – Was genau macht ihr eigentlich?

SÖNKE KIRCHHOF: Grundsätzlich sind wir ein Content Studio, welches unterschiedliche Formate und Genres im Bereich XR umsetzt. Das bedeutet interaktiven Content mit 6DOF und Experiences, wie Spiele oder eine Social VR Plattform, insbesondere für Festivals und Konferenzen, aber auch 360° Video, dann meistens in stereoskopischem 3D und ebenfalls interaktiven Elementen.
Außerdem verleihen wir Equipment, von VR Brillen über Computer und 360° Kameras – alles was es für VR und 360° Vier so braucht in der Produktion und Distribution. In der Distribution sind wir ebenfalls sehr aktiv und lizensieren Content an Plattformen oder unterstützen Festivals mit Equipment und Personal, so wie z.B. VRHAM!
Last but not least betreiben wir sehr viel Forschung und Entwicklung, z.B. im Bereich Volumetric Capture und Lightfield Kameras sowie IoT/Smarthome Environments. Also überall da, wo wir dringend selber weitere Entwicklungen im Alltag und in der Contentproduktion benötigen.

INVR.SPACE und VRHAM! arbeiten schon lange zusammen – Was zeichnet diese Zusammenarbeit aus? Warum funktioniert das so gut?

Da gibt es viele Aspekte, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Zum einen ist VRHAM! bekannt für die außergewöhnlichen künstlerischen Arbeiten, die Ulrich Schrauth jedes Jahr kuratiert – und die kreative Umsetzung der Veranstaltung inklusive der Installationen am Veranstaltungsort. Natürlich habe ich persönlich als Norddeutscher, der lange in Hamburg gelebt hat, auch eine starke Verbindung zu dieser Stadt – und wir haben es entsprechend sehr wertgeschätzt, dass hier vor einigen Jahren bereits eine so hochwertige Veranstaltung etabliert wurde, welche durchaus eine gewisse Strahlkraft weit über die Hansestadt und über Deutschland hinaus hat.
Grundsätzlich können wir rückblickend sagen, dass die Partnerschaft immer sehr gut funktioniert hat, was an der Arbeit auf Augenhöhe und als Partner liegt – wir also keine reinen Dienstleister sind, die ein ursprünglich erstelltes Angebot abarbeiten, sondern sich an die Anforderungen der künstlerischen Experiences anpassen und gemeinsam ein bestmögliches Ergebnis und Erlebnis für die Besucher schaffen wollen. Das funktioniert nur, weil auch seitens VRHAM! immer eine gewisse Flexibilität gegeben war – und die Kommunikation immer pragmatisch mit Blick auf eine reibungslose Umsetzung für alle Werke geführt wurde. Das kann ich für alle vergangenen Jahre sowie auch dieses Jahr wieder so sagen.

Wir sehen uns bei „ULTRAMARIN – An immersive Exhibition“ – Worauf freut ihr euch am meisten?

Das kommt sicher immer sehr auf das Erlebnis selbst an, also ob es eher fiktional oder dokumentarisch ist und wie viel „Gamification“ drinsteckt. Auf jeden Fall muss eine Experience unterhaltsam sein und einen schnell die Technik vergessen lassen. Am Ende ist es ja für viele noch ungewohnt sich so eine Brille aufzusetzen und zwei Controller in der Hand zu haben und damit ggf. die Experience und das Storytelling zu beeinflussen.
Wenn die Technik schnell vergessen ist und die Geschichte sowie audio-visuelle Umsetzung im Vordergrund steht, dann funktioniert die Immersion am besten und es dürfte keinem Besucher/keiner Besucherin zu anstrengend sein, auch Inhalte zu genießen, die länger als 10 oder 15 Minuten dauern.

Ihr räumt einen Award nach dem anderen ab – Was ist das Besondere bei INVR.SPACE?

Ist das so? 😉 Wenn es so ist, dann vermutlich, weil wir großen Wert auf die Inhalte legen und auf eine technisch einwandfreie Umsetzung. Es ist immer eine „Mischkalkulation“ aus packenden Inhalten, visuell ansprechender Umsetzung und einer kleinen Prise Innovation auf technischem Level, welches aber nicht allzu spürbar sein sollte. Aber manchmal gewinnen wir auch Awards für eben diesen Punkt, den Einsatz von neuen Technologien und das Verschieben von Grenzen im Storytelling, welches dieses doch recht neue Medium mehr oder weniger voll auslotet.
Ein weiterer, wichtiger Punkt ist aber sicherlich auch, dass wir fast immer kooperieren oder koproduzieren. Das macht wesentlich mehr Spaß, auch wenn es manchmal auch aufwendiger ist mit Blick auf Kommunikation und Arbeitsteilung. Aber nur so kann man sich gegenseitig Impulse geben und Erfahrungen austauschen.
Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden und vor allem nicht von uns alleine – wodurch auch wieder erhebliche Ressourcen verloren gingen. Grundsätzlich sollte weltweit mehr miteinander als gegeneinander gemacht werden, nur so können Synergien geschaffen werden und das führt anscheinend immer mal wieder zum Gewinn eines Awards.

Wo können wir euch noch treffen? In welche Projekte seid ihr derzeit noch involviert?

Wir haben Büros in Berlin, Hamburg und München – da kann man uns also grundsätzlich mehr oder wenige immer treffen. Jetzt, wo die Festivalsaison wieder losgeht und nicht nur online, sondern auch vor Ort, werde ich vermutlich auch wieder mehr reisen und bei den einschlägig bekannten Veranstaltungen wie New Images in Paris oder Sunny Side of the Docs in La Rochelle im Juni sein. Später dann vermutlich in Venedig – und so weiter.
Ansonsten haben wir immer ein Dutzend Projekte in unterschiedlichen Produktionsphasen. Gerade haben wir nach der Förderung seitens des FFF in Bayern eine zweite Entwicklungsphase vom Medienboard Berlin-Brandenburg und dem Canada Media Fund für eine interaktive Experience über den Flug der Dornier X gefördert bekommen und steigen gerade in die Umsetzung ein. Dann planen wir eine Fortsetzung unseres Projekts „African Space Makers“ namens „Traveling with Trotsky“, das pitchen wir z.B. in La Rochelle. Und wir gehen demnächst in die nächste Phase unserer Medienboard geförderten Experience nach Sergej Prokofjews „Peter und der Wolf“ und finalisieren noch den Prototypen eines „klassischen“ Tanzspiels in VR, gefördert durch die Computerspieleförderung des Bundes. Das sind alles Koproduktionen – und ich könnte noch einige andere aufzählen, z.B. aus dem Bereich der Forschung. Ich bin mir also sicher, dass uns auch 2022 nicht langweilig wird.

Der Berliner Künstler und Kurator Manuel Rossner beschäftigt sich in seiner Arbeit mit den fließenden Übergängen der analogen und digitalen Realität. Bei der Deutschlandpremiere von ULTRAMARIN, die wir von VRHAM! als Dachmarke präsentieren, zeigt er seine SURPRISINGLY SERIES. Wir haben mit ihm über Herausforderungen und das Potential des Digitalen, NFTs und neue Möglichkeiten in der Kunstwelt gesprochen.

VRHAM!: Deine Kunstform bewegt sich zwischen den Welten der traditionellen und digitalen Kunst. In einem Interview mit Tilman Baumgärtl hast Du gesagt: „Meine Kunst beginnt dort, wo die Architekten aufhören“. Was sind die größten Herausforderungen bei dem Versuch, die analoge mit der virtuellen Realität zu verknüpfen?

MANUEL ROSSNER: Oft funktionieren die beiden Welten gegensätzlich. Zum Beispiel bedeutet in der digitalen Welt der Begriff “expensive”, dass ein Vorgang viel Rechenkapazität verbraucht, während beim Gebäude der Bau viel kostet. Außerdem ist die Netzkultur völlig verschieden. Es ist immer eine Herausforderung, eine digitale Erfahrung zu schaffen. Das fängt schon bei grundlegenden Interaktionen an: Wie bewege ich mich durch den Raum?

Du bist einer der ersten Künstler, die sich mit den weiten Möglichkeiten auseinandersetzte, die NFTs bereithalten. Was zeichnet Deine persönliche Arbeit als NFT–Künstler aus?

Meine NFTs sehe ich als Teil einer Welt, die ich erschaffe und immer weiter entwickle. Für mich sind grundlegende Fragen wichtig: Was ist eigentlich ein digitales Objekt? Und wie verhält es sich zu einem physischen Objekt? Meine SURPRISINGLY SERIES besteht zum Beispiel aus 100 digitalen Arbeiten, die ich in Virtual Reality erschaffe. Ich zeichne in die Luft und der Computer gibt meiner Bewegung ein Volumen. 25 dieser digitalen Objekte werden durch eine CNC-Fräse präzise in der physischen Welt hergestellt.

Für Menschen, denen die Verbindung zwischen Kunst und NFTs noch nicht ganz klar ist, wie würdest Du diese Kunstform beschreiben und welche Möglichkeiten stecken für Dich darin?

Die analoge Kunstwelt hat sich dem Digitalen seit Jahrzehnten nur sehr eingeschränkt geöffnet. Ohne physische Objekte hat man dort kaum stattgefunden. Das große Potential des Digitalen liegt aber gerade in der Unabhängigkeit vom Physischen. Jetzt können Künstler diese Möglichkeiten nicht nur ausschöpfen, sondern Besucher bzw. Sammler auch auf eine neue Art an ihrer Arbeit teilhaben lassen.

Bei VRHAM! präsentierst Du dein Werk „Surprisingly“ – Was erwartet die Besucher?

In der SURPRISINGLY SERIES interessiert es mich, meine digitale Arbeit von vielen Seiten zu beleuchten: Die Besucher können die ursprüngliche Arbeit mit ihrem Smartphone in Augmented Reality sehen. Dazu gibt es drei Videos zu sehen, die die verschiedenen Materialitäten zeigt: Bouncy, Dripping und Cracking. Außerdem gibt es eine physische Arbeit zu sehen.

Die Deutsche Kreditbank (DKB) setzt ihr Engagement für das VRHAM! Festival auch in diesem Jahr als Partner fort. Wir greifen hier das Gespräch aus dem DKB Finanzwissen mit Anne Schwanz auf. Anne ist Mitgründerin der Galerie Office Impart, die sich als Plattform für zeitgenössische Kunst versteht. Sie ist ebenfalls Mitbegründerin der Forschungsinitiative Art+Tech Report, welche die Schnittstelle zwischen Kunst, Markt und Technologie betrachtet. Im Interview mit der DKB spricht sie u.a. über die Digitalisierung der Kunst, über NFTs und die Chancen für den Kunstmarkt. Wir finden: Ein toller Einblick, den wir euch nicht vorenthalten wollen!

DKB Finanzwissen: Neben dem Kunsthandel werden auch Kunstwerke immer digitaler. Wie können wir uns ein digitales Kunstwerk vorstellen und welche Formen kann es haben?

ANNE SCHWANZ: Digitale Kunst kann alles sein, was digital erschaffen wurde oder wo digitale Technologien die Werkzeuge sind. Sie kann viele Formen haben: von der jpg-Datei über eine Webseite, algorithmische Programme, Virtual-Reality-Darstellungen bis hin zu einem Videospiel. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.

DKB Finanzwissen: Was unterscheidet deiner Meinung nach digitale von analoger Kunst?

Ich sehe eigentlich keinen Unterschied. Bei einem guten Kunstwerk steht vor allem das künstlerische Konzept im Vordergrund. Ein digitales Kunstwerk existiert im digitalen Raum. Das heißt aber nicht, dass es weniger real ist. Die Art der Wahrnehmung ist nur eine andere und darauf muss man sich einlassen. Ein immersives Kunstwerk, das man betreten kann und das mit Sound und Licht arbeitet, erfährt man zum Beispiel ganz anders, als eine kleine Zeichnung. (…)

DKB: Non-Fungible Token (NFTs) sind gerade ein Hype-Thema. Welche Chancen bieten NFTs für den Kunsthandel?

Die große Chance sehe ich darin, dass digitale Kunst als ein eigenständiges Medium sichtbarer und durch die Entwicklungen der Blockchain-Technologie direkter handelbar werden. Durch NFTs wird die Idee von digitalem Besitz noch einmal neu in den Fokus gerückt. Das wird zukünftig eine große Rolle spielen, da sich immer mehr im digitalen Raum abspielt. (…). Aber bei allem Hype wird es langfristig vor allem um Qualität gehen, nur die wird sich durchsetzen. Wer Art-NFTs sammelt, tut dies meist mit ähnlicher Motivation wie es traditionelle Sammler*innen auch tun.

Ihr wollt mehr von Anne lesen? Hier findet ihr das gesamte Interview mit weiteren spannenden Insights zu Kunst, Markt und Digitalisierung. Shout out to Anne und der DKB für das spannende Interview!

NFT – What?! Das haben wir uns auch mal gefragt. Hier findet ihr von der DKB eine Einführung ins NFT Business, ein How-To (oder auch ein How-Not-To-Do) mit allen wichtigen Facts. Viel Spaß!

Der Länderschwerpunkt Kanada bei VRHAM! 2021 mit vier Arbeiten im künstlerischen Programm wird unterstützt durch das Canada Council for the Arts, die Regierung von Kanada (Botschaft von Kanada) und die Vertretung der Regierung von Québec in Berlin. Ein Gespräch mit der Generaldelegierten von Québec in Deutschland, Elisa Valentin, über Innovationskraft und Synergien zwischen Kunst und Technologien.

VRHAM!: VR-Art hat in Québec einen hohen Stellenwert, es gibt viele VR-Studios, Festivals und eine lebendige Szene. Wie wichtig ist für Sie der internationale Austausch und die Sichtbarkeit dieser noch jungen Kunstform auf einem Festival wie VRHAM! in Hamburg?

ELISA VALENTIN: Québec zählt in Nordamerika und weltweit zu den Vorreitern im Bereich der immersiven und interaktiven Technologien und verfügt über eine fest etablierte, sehr aktive und dynamische Medienkunst- und VR-Szene, deren künstlerische und technologische Innovationskraft ihr einen besonderen Stellenwert im Kultur- und Kunstbereich, aber auch darüber hinaus in verschiedenen anderen Anwendungsbereichen zukommen lässt. Sie speist diese unter anderem aus der engen Verzahnung von Künstler*innen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, aber auch aus ihrer Zugewandtheit dem internationalen Austausch gegenüber. Das VRHAM! Festival ist dabei ein besonders relevanter Partner, da es sich sowohl mit der Vielfältigkeit immersiver Technologien als auch mit ihrer übergreifenden Relevanz für die Kultur- und Kunstwelt auseinandersetzt und dabei die lokalen und internationalen Akteur*innen in Dialog setzt.

V!: Mit vielen Akteur*innen aus Québec ist VRHAM! schon seit einigen Jahren in Kontakt, wie zum Beispiel mit dem Centre PHI. Québec ist in diesem Jahr mit mehreren Werken im Rahmen des Kanada-Fokus sowie mit der Multimedia-Künstlerin Caroline Monnet in der internationalen Jury für den VRHAMMY AWARD vertreten. Welches Potenzial sehen Sie in den Beziehungen zwischen Hamburg und Québec und konkret für die weitere Zusammenarbeit? 

EV: Québec feiert in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum seiner Präsenz in Deutschland. In dieser Zeit sind enge und vielfältige Beziehungen zu Deutschland in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur entstanden. Mit Hamburg hat sich dabei eine besonders fruchttragende Zusammenarbeit entwickelt, deren Weiterentwicklung und Vertiefung Québec eine besondere Bedeutung beimisst. Aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten aber auch der Komplementarität zwischen Québec und Hamburg wohnt dieser Kooperation ein starkes Potential inne. Und dies gilt auch für den Bereich der Medienkunst. Wir freuen uns sehr über die diesjährige Präsenz Québecs beim VRHAM! Festival und könnten uns auch eine künftige Zusammenarbeit gut vorstellen. Sowohl die weitere Vernetzung von Künstler*innen, Studios und Medienkunsteinrichtungen aus Québec und Hamburg, der Austausch von Knowhow als auch die Initiierung gemeinsamer Kultur- und Kunstprojekte wäre dabei sehr spannend.

V!: Der internationale Austausch ist für Sie von besonderer Relevanz. Viele reale Begegnungen konnten im letzten Jahr aufgrund der Pandemie nicht stattfinden. Hat das die Zusammenarbeit gebremst oder ist Neues entstanden?

EV: Die Pandemie stellt auch in Québec eine immense Herausforderung für die Kultur- und Kunstszene dar und hat die internationale Mobilität der Künstler*innen maßgeblich eingeschränkt. Gleichzeitig hat sie die Digitalisierung in vielen kulturellen Einrichtungen in Québec und weltweit beschleunigt und damit die internationale Reichweite und Sichtbarkeit ihrer Angebote gesteigert und internationale Kooperation gefördert. Auch Québec konnte in diesem Zusammenhang viele seiner Partnerschaften und Kooperationen weiterführen und sogar vertiefen. Neben den nun vielfältigeren digitalen Formen des Austauschs haben sich dabei unseres Erachtens auch seine Inhalte maßgeblich weiterentwickelt. Die Frage nach den Synergien zwischen Technologie und Kunst – bei der Erfahrbarmachung von künstlerischen und kulturellen Inhalten, ihrer Präsentation, Rezeption und ihres Vertriebs, aber auch im künstlerischen Schaffensprozess selber – nährt die Reflexion mit unseren internationalen Partnern zusehends und tiefgreifender.

Seit 2018 ist die Deutsche Telekom Festivalpartner und Hauptförderer von VRHAM!. Über die Magenta VR App kann ein Großteil des künstlerischen Programms des diesjährigen Festivals erlebt werden. Seit heute steht in der Magenta VR App neuer exklusiver von VRHAM! kuratierter Content zur Verfügung.  Ein Gespräch mit Wolfgang Groening, Vice President XR + Immersion bei der Telekom, über Kunst, immersive Welten und Zugänglichkeiten.

VRHAM!: Mit Magenta VR und der dazugehörenden App haben Sie bereits früh Räume geschaffen für neue Kunst- und Entertainmentwelten und sind für das VRHAM! Festival in Hamburg ein wichtiger Partner auch in Sachen Distribution. Welches Potenzial sehen Sie aktuell in virtueller Kunst?

WOLFGANG GROENING: Es ist spannend und beeindruckend zu sehen, wie offen und innovativ Künstler mit Technik umgehen, wie sie sie nutzen und deren Möglichkeiten ausloten. Dadurch schaffen sie etwas völlig Neues, verbinden anologe und virtuelle Sinneseindrücke. Von diesen Denkanstößen profitieren wir letztendlich alle, weshalb wir schon seit vielen Jahren Festivalpartner des VRHAM! sind. Es ist das erste Festival weltweit, das ausschließlich virtuelle Kunst zeigt. Mit unserer Magenta VR App können Interessierte in ganz Deutschland viele der audiovisuellen VR-Kunstwerke, 360-Grad-Filme und virtuelle Experiences zuhause erleben. Die App ist kostenlos für Smartphones im App-Store von Apple sowie im Google Playstore erhältlich.

V!: Die Pandemie hat unsere Lebensrealität eingeschränkt, das digitale und vernetzte Arbeiten dagegen befördert. War das vergangene Jahr ein Technologiebeschleuniger und wie haben Sie sich konkret aufgestellt? Gibt es neue Produkte und Orte für das Erleben virtueller Welten?

WG: Wir haben alle erlebt wie schnell wir Arbeitsprozesse digital umstellen mussten. Aus dieser Notwendigkeit sind neue Forderungen und Wünsche an Technologien entstanden. Ich denke auch, ein stärkeres Interesse der Öffentlichkeit an Technik und Innovation. Für die Deutsche Telekom ist Innovation ein starker Fokuspunkt. XR, VR, AR und MR sind Bereiche, die wir seit vielen Jahren vorantreiben – unter anderem mit unserem Tech-Inkubator hubraum. Seit diesem Jahr ist zum Beispiel die erste Mixed Reality-Brille Nreal Light in Europa erhältlich. Wir haben die Entwicklung dieser MR-Brille in einer Technologiepartnerschaft mit Nreal entscheidend vorangetrieben. Die Nreal Light soll künftig vor allem im Bereich AR einer breiten Öffentlichkeit, die Möglichkeit bieten, unsere Realität erweitert wahrzunehmen.

V!: Sie haben einmal gesagt, dass die Telekom dazu beitragen möchte, Innovationen in den Massenmarkt zu tragen. Wie wichtig ist für Sie Zugänglichkeit und digitale Teilhabe?

WG: Unser Ziel ist es, Möglichkeiten technisch zu erweitern und zu bereichern und das ist nur umsetzbar, wenn Technologien auch vom Markt angenommen werden. Nur, wenn sie für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar sind, können sie langfristig etabliert werden. Technik und Inhalte müssen für die Menschen gemacht werden. Mit der Kombination virtueller Kunst und dem direkten Zugang über die Magenta VR App tragen wir einen Teil zur unbegrenzten Teilhabe im Kunstsektor bei.

Die Deutsche Kreditbank (DKB) setzt ihr Enagement für das VRHAM! Festival in diesem Jahr als Partner fort. Ein Gespräch mit Christine Faßnacht, Leiterin Content Marketing bei der DKB, über Kunstförderung, Digitalisierung und Virtual Reality als künstlerisches Medium:

VRHAM!: Warum engagiert sich die DKB für VR Kunst, welches Potenzial sehen Sie in der noch jungen Kunstform?

CHRISTINE FASSNACHT:  Als digitale Bank fühlen wir uns der digitalen Kunst natürlich besonders verbunden. Und Corona hat der Digitalisierung nochmals einen enormen Schub verliehen. Als wir uns damals Gedanken über die Ausrichtung des VR KUNSTPREISES der DKB in Kooperation mit CAA Berlin machten, konnten wir das noch gar nicht wissen. Wir wussten aber: Die Digitalisierung wird alle Lebensbereiche durchdringen. Die Bankwelt genauso wie die Kunstwelt. Und: Es ist wichtig, dass wir uns mit den neuen Möglichkeiten und Chancen auseinandersetzen. Mit unserem Selbstverständnis als nachhaltig wirtschaftende, digitale Bank geht einher, dass wir gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und vielversprechende Entwicklungen am Puls der Zeit fördern. Wir wollen auch reflektieren, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft hat. Und das haben unsere Stipendiat*innen in ganz wunderbaren Arbeiten reflektiert. Die Arbeit von zwei Preisträgerinnen – Patricia Detmering und Lauren Moffat – werden auch auf dem VRHAM! Festival bzw. auf einem von VRHAM! kuratierten Chanel in der Magenta VR App zu sehen sein, was mich besonders freut.

VR: Die DKB hat erstmals 2020 in Kooperation mit der Contemporary Arts Alliance (CAA) den VR-Kunstpreis ausgeschrieben. Die Preisträger*innen stehen fest und es gibt zurzeit eine Ausstellung in Berlin. Wie kam es zu der Idee und der Kooperation mit der CAA?

CF:  Ja, die Ausstellung »Resonanz der Realitäten« ist noch bis zum 4. Juli im Haus am Lützowplatz zu sehen. Sie zeigt die fünf für den VR KUNSTPREIS nominierten künstlerischen Positionen von Banz & Bowinkel, Evelyn Bencicova, Patricia Detmering, Armin Keplinger und Lauren Moffatt. Lauren Moffatt hat übrigens den 1. Platz des VR KUNSTPREIS gewonnen. Wir sind sehr glücklich diese spannenden Arbeiten – die sich alle ganz unterschiedlich mit dem Medium VR in der Kunst beschäftigen – einem größeren Publikum zugänglich machen zu können. Übrigens hatten wir 104 Einreichungen, alle von sehr hoher Qualität, und das zeigt, dass VR als Medium in der Kunst mehr und mehr angewandt wird. Wie es zu der Idee kam? Wir hatten uns schon länger mit dem Gedanken getragen, unser Kunstengagement mit einem gesellschaftlichen Mehrwert neu auszurichten – und vor allem mit digitalem Fokus. Mit der CAA Berlin arbeiten wir schon seit mehreren Jahren zusammen. Das Schöne ist, dass wir uns perfekt ergänzen: Die CAA bringt als Partnerin ihr Netzwerk und das Kunstbetriebs-Knowhow mit, und wir als Bank die Leidenschaft, Neues zu gestalten und dabei auch mal fernab des Mainstreams zu denken bzw. zu fördern. Im Laufe unserer Überlegungen kam dann der Kontakt mit Tina Sauerländer zustande, unsere künstlerische Leiterin, Kuratorin und ausgewiesene VR-Kunst-Expertin. Tina hat den VR KUNSTPREIS dann auch wesentlich mitkonzipiert. Es ist also echtes Teamwork!

VR: VR Kunst und DKB ist nun auch dank des Engagements für VRHAM! eng miteinander verknüpft, und Teil der weltweiten Gemeinschaft. Gibt es Konzepte für die Zukunft?

CF: Konkrete Konzepte noch nicht, aber natürlich sehr viele Ideen! Wir haben uns vorgenommen im Sommer mit etwas Abstand und Ruhe in die Retrospektive zu gehen und zu überlegen wie wir unser Engagement weiter gestalten möchten. Was macht Sinn?  Wie können wir Dinge intelligent miteinander verknüpfen? Wie sieht die Post-Corona-Welt aus? Gerade der Kunst- und Kulturbetrieb hat ja sehr gelitten und ich denke wir fragen uns hier alle: Wie geht es weiter?

Für das Programm VRHAM! FORWARD ist Markus Selg am Auswahlprozess für die Teams beteiligt. Der Künstler, Bühnenbildner, Musiker und Theatermacher wurde 2020 für das Bühnenbild von »ULTRAWORLD«, eine Theaterperfomance, die er zusammen mit Susanne Kennedy für die Volksbühne Berlin konzipiert hat, mit dem Deutschen Theaterpreis »Faust« ausgezeichnet. Ende Februar feierte die neue gemeinsame Produktion »I AM (VR)« in Tokio digitale Premiere. Markus Selg ist ein Forscher, ein Grenzgänger. Ein Gespräch mit ihm über Experimente, multimediale Erfahrungsräume und VR im Theater:

VRHAM!: Susanne Kennedy sagte in einem Interview über ihr neues gemeinsames Projekt »I AM (VR)«: VR … »ist ein Werkzeug, das uns erkennen lässt, was Realität überhaupt ist.« Welches künstlerische Potenzial bietet VR für den Bereich Theater, für die darstellenden Künstler*innen und das Publikum?

MARKUS SELG: VR ist eine Art Spiegelung der menschlichen Sinneserfahrung, direkt im eigenen Kopf. Es ist nicht nur eine wirkungsmächtige Technologie der Simulation sondern ein tiefgreifendes Reflektionswerkzeug über die menschliche Wahrnehmung und das Ich-Bewusstsein. Wer bin ich? Wer ist dieser Avatar, mit dem wir uns als Ich identifizieren? Existieren wir in der physikalischen Welt oder existieren wir vor allem innerhalb der Geschichten die sich unser Gehirn selbst erzählt. Wer oder was halluziniert diese Geschichten? Wenn wir in unserer eigenen Simulation leben, wie können wir dann mit anderen interagieren? Können wir überhaupt zwischen Realität und Simulation unterscheiden? Mit der begehbaren Bühne und VR verfügt das Theater über die Möglichkeiten der totalen Immersion mit gleichzeitiger kollektiver Anwesenheit im Raum. Im Unterschied zu Kino oder Computerspiel, können im Theaterraum auch unsere physikalischen Körper mit einbezogen werden. Mit der Verschmelzung von Theater, VR und Kunst kann ein System entstehen, innerhalb dessen wir komplexeste Kosmologien erschaffen können – mit dem Publikum als Akteur*innen in ihrem Zentrum.

V!: Die aktuelle Situation hat vieles aus dem Gleichgewicht gebracht, Entwicklungen beschleunigt und neue Räume geöffnet. Was sollte das Theater daraus »lernen«?

MS: Das Theater öffnet sich nun langsam digitalem Denken und virtuellen Technologien. Gerade herrscht aber noch viel notgedrungener Aktionismus. Streaming von konventionellen Stücken und Ähnliches. Ich sehe die Chance eher darin, die Form des Theaters grundsätzlich weiterzuentwickeln. Wenn wir die fantastische, aber etwas schwerfällige Theatermaschinerie in den digitalen Raum erweitern, bekommen unterschiedlichste Akteur*innen, menschliche, nichtmenschliche, biologische und synthetische Intelligenzen, die Möglichkeit gemeinsam zu spielen. Physikalische Beschränkungen können aufgehoben und das Navigieren zwischen den Welten fließender werden. Es kann eine Plattform entstehen, die der Idee des Gesamtkunstwerks näher kommen wird als jede Kunstform zuvor. Der Schauplatz, an dem wir unsere algorithmischen Rituale vollziehen und das Leben in all seiner Rätselhaftigkeit zelebrieren werden.
V!: Du bist Mitglied in der Jury für das neue Programm VRHAM! FORWARD, das sich explizit an künstlerische Teams wendet. Geht Kunst nur gemeinsam? Welche Vorteile siehst Du in kollektiven künstlerischen Prozessen?

MS: Kunst geht auch ganz gut alleine, aber mich faszinieren gerade am meisten die kollektiven Prozesse. Die Magie, die in der Interaktion zwischen Menschen passiert. Wenn ein Werk entsteht, das von jedem einzelnen aktiv visioniert wurde, das Ergebnis sich aber keiner alleine hätte erträumen können. Ich sehe die Bühne als eine Art ritualistische Architektur für Gemeinschaft, ein System des kollektiven Traums. Ein Experimentierraum für eine kollektive Praxis. Wie kann man eine kreative Situation erzeugen und sie so konzentriert und offen gestalten, dass sich alle mit ihren Fähigkeiten am besten einbringen können?